Menschen befinden sich stets und ständig in Beziehung, also in sozialer Interaktion mit anderen Menschen, was wiederum die Notwendigkeit erklärt, zu lernen, sich aufeinander einzustellen, eigenes Fühlen, Denken und Handeln, aber auch das von anderen Personen, nachvollziehen zu lernen und Verständnis zu entwickeln sowie dieses in sein eigenes Handeln miteinfließen zu lassen. Empathiefähigkeit gilt als eine grundlegende Voraussetzung für eine kompetente soziale Wahrnehmung und Interaktion, die den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer emotionalen Beziehung zu anderen Menschen bedingen (Schwenck et al., 2011). Gerade Kinder und Jugendliche mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung weisen oft Defizite in der kognitiven und affektiven Empathie auf sowie hinsichtlich der empathischen Handlungskompetenz- und Handlungsmotivation (Braaten & Rosén, 2000; Cohen & Strayer, 1996; Blair & Coles, 2000, nach Schwenck et al., 2011). Aus diesem Grund ist es in erster Linie von großer Bedeutung, eine Notwendigkeit zum empathischen Denken, Fühlen und Handeln zu schaffen. Hierfür bietet sich der Ansatz der tiergestützten Pädagogik optimal an. Den meisten Schüler*innen fällt es häufig leichter, in der Interaktion mit Tieren prosoziales Verhalten zu zeigen, was mit einer erhöhten Motivation und Bereitschaft zur Rücksichtnahme und zum Zurückstellen eigener Bedürfnisse konnotiert ist (Hergovich et al., 2010, nach Julius et al., 2014; Julius et al., 2014). Darüber hinaus haben viele Schüler und Schülerinnen mit diesem Förderbedarf bereits Gewalt-, Verlust- und/oder Vernachlässigungserfahrungen erleben müssen, was in den meisten Fällen mit unsicherer oder gar desorganisierter Bindung einhergeht (Julius, 2009).
Diese Bindungsrepräsentationen stehen in einem starken Zusammenhang mit einer Gefährdung der physiologischen sowie psychologischen Gesundheit, was wiederum mit Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung und der kognitiven Entwicklung assoziiert ist. Dies kann sich schließlich auf der Verhaltensebene in externalisierenden oder internalisierenden Auffälligkeiten manifestieren (George & Solomon, 2008; Julius, 2009). Bindungsgeleitete Interventionen stellen eine Möglichkeit dar, um eine Veränderung der bestehenden kindlichen Arbeitsmodelle von Bindung zu fördern. Da Menschen dazu neigen, ein zu dem Bindungsverhalten des Kindes komplementäres bindungsbezogenes Verhalten zu zeigen, wird das bereits bestehende Bindungsmuster des Kindes häufig eher gefestigt als positiv verändert (Julius et al., 2014).
An dieser Stelle erklärt sich die Sinnhaftigkeit, tiergestützte Interventionen gezielt zur Unterstützung einzusetzen: Weil es auf der einen Seite möglich ist, Bindungs- bzw. Fürsorgebeziehungen zu Tieren aufzubauen und auf der anderen Seite die Transmission der Bindungs- und Fürsorgemuster innerhalb der Mensch-Tier-Beziehung durchbrochen werden kann (Beck & Madresh, 2008; Julius et al., 2010; Kurdek, 2008). Da diese Beziehung – bspw. zu einem Hund – nicht durch negative Erfahrungen mit menschlichen Bindungsfiguren belastet ist, können über die Interaktion mit diesem, pädagogische Ziele realisiert, alternative Bindungsverhaltensstrategien eingeübt und Bindungssicherheit vermittelt werden (Julius et al., 2014). Die sichere Beziehung zum Hund kann dabei helfen, ebenfalls eine sichere Beziehung zum bzw. zur entsprechenden Pädagogen*in aufzubauen und diese sicheren Bindungserfahrungen in ein neues, sicheres Arbeitsmodell von Bindung zu integrieren. Der Hund dient somit als „Türöffner“ für bindungsgeleitete Interventionen sowie der Aktivierung des „Calm-and-Connecting“-Systems des Kindes und somit für dessen „Offenheit gegenüber sicheren Bindungserfahrungen“ (Julius et al., 2014, S. 191). Dies wird vor allem durch den positiv besetzten Körperkontakt begünstigt, den ein Hund bieten kann, was eine zentrale Komponente von sicherer Bindung und Fürsorge darstellt und mit einer Aktivierung des menschlichen Oxytocin-Systems einhergeht (Julius et al., 2014). Tiere sind als nicht-wertend repräsentiert, was insbesondere für Kinder mit einem unsicheren Bindungsstatus von großer Bedeutung ist. Da sich ein Hund in der Regel authentisch, vorurteilsfrei und wertschätzend gegenüber den meisten Menschen verhält bzw. als unvoreingenommen betrachtet werden kann, muss diese Angst vor Bewertung hier nicht zum Tragen kommen (Julius et al., 2014). Zudem können die stressreduzierenden Effekte des Umgangs mit einem Hund, Kindern dabei helfen, auch in belastenden Situationen mittels einer Verschiebung der Aufmerksamkeit auf die zwischenartliche Interaktion mit der zwischenmenschlichen umzugehen (Hediger, 2012, nach Lockwood, 1983; Rossbach & Wilson, 1992, Wells & Perrine, 2001).